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100 Jahre Haus Helvetia

100 Jahre Haus Helvetia

Ein Haus im Wandel der Zeit
1909 - 2009

Im Sommer des Jahres 1909 wurde durch August Leu für den Bauherrn Robert Patry aus der Schweiz das prachtvolle Gebäude (Privathaus des Herrn Patry, damaliger Direktor der Badeverwaltung) errichtet. Herr Patry gab dem Haus den Namen "Helvetia".

Das am südlichen Hang oberhalb des Kurparks gelegene villenartige Gebäude, vom Typ der Portikusvilla mit Eckrisaliten ist ein stattlicher Putzbau mit drei Geschossen. Das Erdgeschoß ist durch Bruchsteinquarder als Sockel charakterisiert. Die Eingangstür besteht aus zwei Holzflügeln mit Sprossenverglasung. In den Obergeschossen sind Rechteck- bzw. Rundbogenfenster. Einfache Säulen tragen einen Balkon. Im zweiten Obergeschoß ist eine Glasveranda. Quergestellte Mansardendächer und ein nachträglich aufgesetztes verschiefertes Geschoß runden das Gebäude nach oben ab. Von der ursprünglichen Innenausstattung sind die Eingangshalle, das Treppenhaus und die Korridore unverändert geblieben. Die Eingangshalle weist eine Stuckkassettendecke auf und ein hölzernes Jugendstilgeländer im Treppenhaus geht durch alle Geschosse. Die Fenster sind mit ornamentaler Farb- und Strukturverglasung und die Zimmertüren mit rillenverzierten Rahmen versehen.

Im Laufe seiner Geschichte wechselte das Haus "Helvetia" mehrmals seinen Besitzer.
Das Gebäude wurde zunächst als Pension bzw. als Hotel für die in Salzig weilenden Kurgästen genutzt. Mit einem Ziegengespann transportierte man die Koffer der ersten Kurgäste.
Vor der nationalsozialistischen Regierungszeit gehörte das Haus dem Verband der weiblichen Handels- und Büroangestellten (VWA). Während des Krieges wurde es von den Nazis enteignet und kam nach Auflösung der Gewerkschaften im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik in die Hand der Deutschen Arbeitsfront (DAF) mit Sitz in Berlin Wilmersdorf. Eine Unterorganisation der DAF war die Organisation "Kraft durch Freude" (KdF). Diese nutzte das Haus "Helvetia" als Erholungsheim und Freizeithaus. Auch diente es vorübergehend als Lazarett.
Nach Ende des Krieges übernahmen die Hl. Geist Schwestern, die in Bad Salzig noch eine Filiale hatten, im Haus die Betreuung von alten Menschen, die Koblenz ausgebombt waren und im Haus "Helvetia" eine Unterkunft fanden. Da das Haus "Helvetia" als Nazivermögen dem Requisitionsamt unterstand, wurde es 1946 den Schönstätter Marienschwestern als vorläufiges Provinzialhaus, mit der Möglichkeit zum späteren Erwerb, angeboten. Haus "Helvetia" wurde nun das vorläufige Provinzialhaus der neu errichteten Westprovinz. Die Marienschwestern betreuten von hier aus über mehrere Jahre hindurch die Schwesternniederlassungen der Diözesen Trier, Limburg und Speyer. Zur Zeit der Übernahme war es ein Altersheim. Diese Einrichtung wurde von den Schwestern zusätzlich zur neuen Verwaltungsfunktion übernommen. 1949 wurde die Zentrale der Westprovinz nach Koblenz-Metternich verlegt, aber die Schönstätter Marienschwestern betreuten das Altersheim weiter.
Als sich abzeichnete, dass der Verband der weiblich Angestellten (VWA), denen man das Haus damals enteignet hatte, sich wieder konstituieren würde, und der Verkauf des Hauses anstand und das Altersheim aufgelöst werden sollte, wurden die alten Menschen im Jahre 1952 von der damaligen Schwester Agape selbst nach und nach in andere Häuser verlegt.
Am 3. Oktober 1952 wurde der Kaufvertrag zwischen dem Verband der weiblichen Angestellten e. V. Hannover und dem Caritasverband Trier getätigt. Die Umschreibung des Hauses "Helvetia" erfolgte aber erst am 5. November 1957. Es wurde nun ein Müttererholungsheim. Erste Renovierungsarbeiten wurden im Herbst durchgeführt und Anfang November reisten die ersten Mütter zur Kur an. Das Haus konnte bis zu 50 Mütter aufnehmen. Eine Grundrenovierung wurde 1953 vorgenommen. Die Leitung der Provinz der Schönstätter Marienschwestern stellte dem Caritasverband die notwendigen Schwestern zur Leitung des Mütterheimes zur Verfügung. Bis zum Jahre 1963 durften die Marienschwestern dort segensreich wirken und für viele erholungssuchende Mütter echte Heimbereiterinnen sein. Die Schwestern übernahmen nun im Auftrag des Caritasverbandes ein neu erworbenes Müttererholungsheim in Bad Kreuznach.
Die Schönstätter Marienschwestern waren seit 1956 auch im pflegerischen und hauswirtschaftlichen Dienst des im Aufbau befindlichen Sanatoriums für Leber- und Stoffwechselkrankheiten tätig. Bis in die 80ziger Jahre waren im Bereich der Sanatorien der Landesversicherungsanstalt (heutige Mittelrheinklinik) 69 Schönstätter Marienschwestern als Krankenschwestern, in der Küche und in der Wäscherei, sowie bei der Betreuung der Patienten tätig.
Ende November 1963 interessierten sich die Oblatinnen des hl. Franz von Sales für das Haus "Helvetia", um dort eine deutsche Provinz, neben der Niederlassung in Kell bei Trier zu errichten. Von 1964 bis 1984 leiteten Oblatinnen vom hl. Franz von Sales das Müttererholungsheim. Diese Schwesterngemeinschaft ist eine Kongregation päpstlichen Rechtes und französischen Ursprungs. Ihre Aufgabe ist die Jugenderziehung in Schulen- und Mädchenwohnheimen in Frankreich, Österreich, England, Italien, Schweiz, Nordamerika und in den Missionen von Südamerika und Südafrika. Das Mutterhaus der Oblatinnen vom hl. Franz von Sales befindet sich in Troyes in der Champagne. Das Regionalhaus für Österreich und Deutschland ist in Linz an der Donau. Die Kongregation wurde im Jahre 1866 in Troyes von Pater Louis Brisson gegründet. Er war Hausgeistlicher im Kloster der Salesianerinnen. Nach einer Vakanz und intensiven Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten durch Bad Salziger Handwerker wurde ab dem 3. Dezember 1988 bis heute das Haus "Helvetia" eine Heimat für die Schwestern im Ruhestand, der Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika - Weisse Schwestern. Von den Schwestern, die hier ihren Lebensabend verbringen, waren die meisten lange Jahre in Afrika als Krankenschwestern, in Schulen und in der Sozial- und Pastoralarbeit tätig. Für Schwestern im Heimaturlaub bietet das Haus Exerzitien und Kurse an. Somit wird auch eine Brücke zwischen den hier wohnenden und in Afrika missionierenden Schwestern hergestellt. Die Pfarrgemeinde ist froh, die Schwestern mit ihrer selbstverständlichen Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und ihrem Gebet in ihrer Mitte zu haben. Jeden Mittwochabend findet von 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr eine Anbetungsstunde und alle 14 Tage donnerstags um 19.00 Uhr eine Hl. Messe statt, zu der alle Pfarrangehörigen eingeladen sind.

Hans Peter Bock
 
Quellen:
Kunstdenkmaler von RLP (Stadt Boppard)
Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier
Pfarrarchiv St. Ägidius Bad Salzig
Auszug aus der Chronik v. Schw. Agape (Haus Maria Regina, Bad Kreuznach)
Caritasverband Diözese Trier e.V.
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